Es ist höchste Zeit für einen feministischen Aufbruch!

Erklärung der SP-Kantonsratsfraktion
verlesen am 12. Juni 2023

Es gibt tausend gute Gründe, um am 14. Juni am feministischen Streik teilzunehmen. Wir beschränken uns heute und hier auf fünf Kernanliegen:

  1. Seit Jahren fordern wir «gleichen Lohn für gleiche Arbeit» und «sichere Renten – vor allem für Frauen». Leider ist in den vergangenen Jahren nicht viel passiert. Bei der Lohngleichheit hat sich kaum etwas bewegt. Im Durchschnitt verdienen Frauen noch immer rund 18 Prozent weniger als Männer. Und auch im öffentlichen Dienst beträgt die Lohndifferenz weiterhin 15 Prozent. Der unerklärte Anteil der Lohndifferenz hat sogar zugenommen. Wir fordern die Umsetzung der Lohngleichheit mit Nulltoleranz gegenüber Lohndiskriminierung, staatliche Kontrollen und Sanktionen.
  2. Zwei Drittel der Tieflohnbeschäftigten sind Frauen. Ein zentraler Grund für die tiefen Einkommen von Frauen ist die schlechte Entlöhnung von Berufen mit hohem Frauenanteil. Kleinkinderbetreuer:innen, Reinigungskräfte oder Pfleger:innen verdienen nach der Berufslehre in Vollzeit nur zwischen 3’500 und 5’000 Franken, deutlich weniger als in Branchen mit hohem Männeranteil. Wir fordern deshalb gezielte Lohnerhöhungen in Branchen mit tiefen und mittleren Löhnen und hohem Frauenanteil. Bei abgeschlossener Berufslehre sollen flächendeckende Mindestlöhne von 4’500 CHF bis 5’000 Franken eingeführt werden.
  3. 58 Prozent der erwerbstätigen Frauen arbeiten Teilzeit, weil sie den Grossteil der unbezahlten Arbeit verrichten. Teilzeitarbeit bedeutet für viele Frauen massive Einkommensausfälle während des gesamten Erwerbslebens und deutlich tiefere Renten nach der Pensionierung und damit die Gefahr von Altersarmut. Dagegen helfen nur echte Veränderungen in unserer Gesellschaft und wie wir uns die unbezahlte Care-Arbeit aufteilen. Hier sind wir alle gefragt!
  4. Aber wir streiken nicht nur, weil die Gleichstellung im Bereich Arbeit noch im Schneckentempo unterwegs ist. Wir streiken auch, weil in der Schweiz allein dieses Jahr schon 11 Feminizide verübt worden sind. Frauen sind um ein Vielfaches mehr von häuslicher Gewalt betroffen als Männer. Es braucht deshalb gesamtschweizerisch systematische Massnahmen zur Bekämpfung von geschlechtsspezifischer, sexualisierter und häuslicher Gewalt mit einem intersektionalen Ansatz. Damit meinen wir Massnahmen wie 24-Stunden-Telefonhotlines, Beratungsstellen, ein stabiles Angebot an Frauenhäusern mit einer guten Finanzierung und ausreichenden Kapazitäten sowie die uneingeschränkte und vorbehaltlose Umsetzung der Istanbul-Konvention.
  5. Geflüchtete Frauen und queere Personen erleben in ihrem Heimatland, auf der Flucht oder in der Schweiz oftmals geschlechtsspezifische und sexualisierte Gewalt. Doch je nach Aufenthaltsstatus erhalten sie keinen oder nur ungenügenden Zugang zu den notwendigen Hilfe- und Unterstützungsleistungen, wie etwa psychologischer Unterstützung. Dieser Zustand ist unhaltbar – wir fordern den uneingeschränkten Zugang für alle Betroffenen zu spezialisierten Unterstützungsstrukturen. Weiter braucht es Massnahmen zum Schutz von geflüchteten FLINTA*-Personen, also Frauen, Lesben, inter, nonbinäre, trans und agender Personen, darunter eine sichere Unterkunft in Wohnungen statt in Kollektivunterkünften. Der Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt darf nicht vom Aufenthaltsstatus abhängig sein!

Sie sehen also, Gründe für den feministischen Streik gibt es genug. Wir sind sicher, dass diese Themen auch Sie, geschätzte bürgerliche Ratskolleg:innen, beschäftigen. Wahrlich liegt es nicht in Ihrer DNA, zu streiken. Aber auch Sie können sich solidarisch mit den Streikenden zeigen und die Anliegen in Ihrer politischen Arbeit berücksichtigen. Der feministische Streik am Mittwoch wird gross. Und er wird auch für Sie unüberhörbar sein. Denn wir haben genug. Genug von Sexismus, Geringschätzung von Care-Arbeit, Lohndiskriminierung und patriarchaler Gewalt. Und um diese Probleme anzugehen, braucht es Taten statt nur leere Versprechungen: Es ist höchste Zeit für einen feministischen Aufbruch!

 

Auskünfte

  • Michèle Dünki-Bättig, Kantonsrätin SP
  • Nicola Yuste, Kantonsrätin SP
  • Brigitte Röösli, Kantonsrätin SP
  • Leandra Columberg, Kantonsrätin SP
  • Sibylle Marti, Kantonsrätin SP